Wie lernen Erwachsene? – Grundlagen verstehen

Kennen Sie das englische Sprichwort „You can’t teach an old dog new tricks“?

Vielleicht fällt es im hohen Alter nicht mehr so leicht, Neues zu lernen wie in jungen Jahren. Heute wissen wir aber, dass sich Erwachsene bis ins hohe Alter neues Wissen aneignen können. Lebenslanges Lernen und Fortbildung sind sogar entscheidend, um Herausforderungen in allen Lebensbereichen zu meistern und sich persönlich weiterzuentwickeln.

Doch wie läuft Lernen bei Erwachsenen ab? Was kennzeichnet ihren Lernprozess? Welche Bedingungen sollten sie berücksichtigen, um eine erfolgreiche Lernsituation zu schaffen? Und mit welchen Methoden lernen Erwachsene besonders effektiv und nachhaltig? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns in der neuen Reihe „Wie lernen Erwachsene?“. Dieser Artikel konzentriert sich zunächst auf die Faktoren, die den Lernprozess von Erwachsenen charakterisieren, und gibt anschließend einen Einblick in die Vorgänge, die sich beim Lernen im Gehirn abspielen.

Was spielt beim Lernen für Erwachsene eine Rolle?

Abb. 1 Fünf Merkmale, die erwachsene Lerner laut der Lerntheorie von Malcom Knowles auszeichnen

1. Erwachsene bringen Vorkenntnisse und Erfahrungen mit

Anders als Kinder haben Erwachsene im Laufe ihres bisherigen Lebens schon vieles gelernt. Sie verfügen über eine große Basis an Wissen und Erfahrungen, welche sie mit Neuem verknüpfen können. Während Kinder vieles neugierig ausprobieren, versuchen Erwachsene mithilfe ihrer bereits vorhandenen Kenntnisse, einen Sinn herzustellen. Sie lernen weniger von Grund auf neu, sondern bauen auf vorhandenen Erkenntnissen auf. Neue Inhalte sollten daher immer einen Bezug zu Vorwissen und Vorerfahrung herstellen, um den Lernprozess von Erwachsenen effektiv zu gestalten.

2. Relevanz und Praxisbezug motiviert Erwachsene

Erwachsene lernen, wenn Sie neues Wissen für ihren praktischen Lebensalltag brauchen. Dies kann zum Beispiel sein, um im Beruf weiterzukommen, oder um eine neue Aufgabe zu bewältigen. Manchmal möchten sie auch einfach eine bestimmte Wissenslücke schließen. In der Regel möchten Sie jedoch eine Bedeutung beziehungsweise einen speziellen Nutzen für ihren Alltag gewinnen und erfahren, wie sie neues Wissen anwenden können.

3. Erwachsene lernen am liebsten selbstbestimmt

Die eigene Organisation des Lernprozesses ist ein weiteres Kennzeichen, das den Lernprozess von Erwachsenen ausmacht. Erwachsene suchen sich selbst aus, was sie wie, wo und wann lernen. Außerdem können sie ihren Kenntnisstand, ihre Lernziele sowie ihren Lernerfolg selbst evaluieren.

4. Erwachsene sind intrinsisch motiviert

Die meisten Erwachsene wissen Bildung zu schätzen und lernen aus eigenem Antrieb, nicht weil sie lernen müssen. In der Regel haben sie einen bestimmten Grund, wie die persönliche Weiterentwicklung, und ein hohes Interesse am Thema, zu dem sie ihre Kenntnisse erweitern möchten.

5. Erwachsene lernen gerne problemorientiert

Erwachsene bevorzugen es, neues Wissen selbstständig durch das Lösen einer Problemstellung kennenzulernen. Gut geeignet sind beispielsweise kontextbezogene Übungen, die Zusammenhänge verdeutlichen und sie auffordern, nach geeigneten Lösungsansätzen zu suchen.

Was passiert beim Lernen im Gehirn?

Erwachsene lernen erfolgreich, wenn die oben genannte Faktoren für die Lernsituation berücksichtigt werden. Doch wie spielt sich Lernen auf physiologischer Ebene in unserem Gehirn ab?

Die Aufnahme neuer Informationen

Unser Gehirn besteht aus drei verschiedenen Bereichen, die Informationen unterschiedliche lang speichern können: das Ultrakurzzeitgedächtnis, das Kurzzeitgedächtnis und das Langzeitgedächtnis. Alle Reize, die wir über unsere Sinnesorgane aufnehmen, gelangen zuerst in unser Ultrakurzzeitgedächtnis, auch sensorisches Gedächtnis genannt. Wie der Name schon verrät, können Informationen hier nur wenige Sekunden abgespeichert werden. Dabei wirkt dieser Teil unseres Gehirns wie ein Filter, durch den nur die Informationen hindurchgelangen, die als wichtig erachtet werden. Damit dieser Filter so effektiv wie möglich funktioniert, ist es wichtig sich beim Lernen auf eine Sache zu konzentrieren, zum Beispiel auf das Lesen eines Textes, und andere Reizquellen wie beispielsweise Musik auszuschalten. So wird das sensorische Gedächtnis nicht vom Lernstoff abgelenkt und kann ihn besser an das Kurzzeitgedächtnis weiterleiten. Die folgenden Grafik zeigt, wie die aufgenommenen Informationen weitergeleitet werden:

Abb. 2 Wie das Gehirn Informationen speichert
(© verändert nach www.neuronation.de)

Die Übertragung des Gelernten vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis

Das Kurzzeitgedächtnis ist der Teil unseres Gehirns, in dem Informationen abgespeichert werden, die wir kurzzeitig für unseren Alltag benötigen. Dieser Teil des Gehirns wird auch als Arbeitsspeicher bezeichnet. Seine Kapazität beträgt ungefähr 15 bis 20 Minuten. Für das Lernen bedeutet das: lernt man länger als 20 Minuten, muss der Arbeitsspeicher geleert werden, damit weitere neue Informationen aufgenommen werden können. Das zuvor Gelernte geht dann verloren.

Damit dies nicht passiert und das Gelernte den Übergang vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis schafft, darf unser Arbeitsspeicher also nicht durch zu viele Informationen überlastet werden. Stattdessen sollte Lernen in kurzen Einheiten mit ausreichend Pausen durchgeführt werden. Darüber hinaus spielt die Wiederholung des Lernstoffs und die Anwendung unterschiedlicher Lernmethoden eine entscheidende Rolle, damit die gewünschten Informationen ins Langzeitgedächtnis gelangen. Auf diese Weise verstärken sich die neuronalen Verbindungen im Gehirn und je stärker das neuronale Netzwerk, desto besser können wir uns erinnern.

Ob etwas im Langzeitgedächtnis gespeichert wird, wird zudem durch den Hippocampus bestimmt. Diesen Teil unseres Gehirns kann man sich ebenfalls wie einen Filter vorstellen. Er befindet sich zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis und bewertet neue Informationen. Beispielsweise überträgt er Informationen, die er als wichtig und positiv einstuft, ins Langzeitgedächtnis, alle anderen hält er zurück – hierbei spielen insbesondere Emotionen eine wichtige Rolle, aber dazu mehr im nächsten Artikel dieser Serie.

Fazit und Ausblick

Erwachsene lernen anders als Kinder. Sie bringen bestimmte Grundlagen und Erfahrungen mit und haben in der Regel einen besonderen Bezug zum Lernstoff. Dabei spielen sich beim Lernen bestimmte Prozesse im Gehirn ab. In diesem Artikel wurde bereits deutlich, dass wir unser Wissen über die Abläufe im Gehirn nutzen können, um effektiver zu lernen. Doch mit welchen weiteren Lernmethoden gelingt es besonders gut, unser neuronales Netzwerk auszubauen, um Informationen nachhaltig im Langzeitgedächtnis zu speichern? Welche Informationen bewertet der Hippocampus als wichtig genug, um sie ans Langzeitgedächtnis weiterzuleiten? Und wie wenden wir bei ICON diese Erkenntnisse für unserer E-Learnings an? Es sind bereits weitere Blogartikel geplant, in denen wir uns mit diesen Fragestellungen auseinandersetzen wollen.

Selbstverständlich sind wir an Ihren Erfahrungen und Meinungen zu diesem Thema interessiert. Hinterlassen Sie uns gerne einen Kommentar. Wir freuen uns, mit Ihnen in Kontakt zu treten.


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